150 Jahre Funken Blau-Weiss. Ein Stück Stadtgeschichte

In der reichen Geschichte des Siegburger Karnevals - wie könnte das in einer echten rheinischen Stadt mit ihren fröhlichen Bürgern auch anders sein - hat es bereits vor den Aktivitäten im Gesellenverein schon zahlreiche andere Karnevalsgesellschaften gegeben. Sie hatten oft lustige, beziehungsreiche Namen wie „Et werd reskiert", „Jett moss senn", „He wird et rääch gemaht" oder auch „Do'rus moss mer sech necks maache". Manche Gesellschaften verschwanden ebenso schnell wie sie entstanden waren.

Aus damaliger Zeit haben nur die „karnevalistischen Gesellen" in Form der aus ihnen hervor-gegangenen Siegburger Funken Blau-Weiss alle Stürme der Zeit überstanden und überdauert. Sie sind damit die älteste Karnevalsgesellschaft in Siegburg und dem gesamten Rhein-Sieg-Kreis, die nun schon 150 Jahre den Siegburger Karneval entscheidend mitgeprägt hat. Denn dadurch, dass die Funken Blau-Weiss die meisten der seit ihrem Gründungsjahr 1859 überkommenen und übernommenen Karnevalsbräuche im wesentlichen unverändert beibehalten haben, ist der Siegburger Karneval auch heute noch zum großen Teil durch seine langjährigen Traditionen und seine reichhaltige Geschichte geprägt.

Der maßgeblichen Mitwirkung der Siegburger Funken Blau-Weiss verdankt auch das Siegburger Karnevalskomitee, welches 1861 zur Pflege des rheinischen Brauchtums, zur Durchführung der Bürgersitzung und zur Organisation des Rosenmontagszuges gegründet wurde, seine Entstehung.

Dabei war das „Geburtsjahr“ der Funken - 1859 - lange Zeit in Vergessenheit geraten. Im Zuge des verheerenden Bombenangriffs zu Weihnachten 1944, dem weite Teile der Siegburger Innenstadt zum Opfer fielen, wurde auch die „Kaserne” der Funken, der sogenannte „Herrengarten” in der Mühlenstraße, vollständig zerstört. Wie auch das Gebäude war das alte Archiv der Funken nicht zu retten.

Ehrenstabsmitglied Hubert Raderschad, langjähriger Adjutant und Schatzmeister der Funken, erinnert sich noch genau an den historischen Moment, als Bürgermeister Heinrichs die Blau-Weissen mit ihrem wahren Alter überraschte:

„Im Herbst 1949 lernte ich einige junge Mitglieder der Kolpingsfamilie und der Funken Blau-Weiss kennen und besuchte in dieser Session erstmalig ihre Veranstaltungen im Driescher Hof, dem heutigen „Capitol“-Kino.

Auf der Gala-Kostümsitzung am 05.02.1950 sollte die neue Fahne der Blau-Weissen durch den Präses der Kolpingsfamilie Siegburg, Kaplan Joseph Hoff geweiht werden. Denn durch die Kriegswirren ging die erste alte Fahne verloren. Die neue Fahne, die noch heute im Besitz der Funken ist, wurde von den Damen Fey, Schwarz und Wierz handgestickt und den Blau-Weissen zum Geschenk gemacht. Mit Spannung erwarteten wir den Einmarsch. Endlich ging es los!

Der Kammeroffizier Josef Schwarz trug etwas Verhülltes in den Saal. Dann begann man mit der Fahnenweihe. Neben den Stabsmitglie-dern Gustav Stein, Peter Klein, Josef Kneutgen, Willi Effern, Josef Stock, Johann Henseler, Willi Schmitz, Josef Müller, Dr. Willi Vogel, Josef Schwarz, Raimund Torsy, Josef Bierther, Hans Wissborn, Willi Krengel und Albert Zillekens, war auch unser damaliger Bürgermeister Hubert Heinrichs auf der Bühne."

So kam es, dass man auch in den Reihen der Blau-Weissen selbst viele Jahre angenommen hat, dass die Karnevalsabteilung des Gesellenvereins erst im Jahre 1879 ins Leben gerufen worden sei. Dass der wahre Geburtsjahrgang der ältesten Siegburger Karnevalsgesellschaft wieder zutage trat, bleibt der Verdienst des unvergessenen Siegburger Bürgermeisters Hubert Heinrichs, der - wie er auch in der Festschrift zum einhundertjährigen Bestehen der Funken Blau-Weiss im Jahre 1959 selbst ausführt - „bei der Durchsicht alter Unterlagen zufällig auf die Feststellung stieß, dass der Katholische Gesellenverein in Siegburg schon im Jahre 1859 in einer besonderen Abteilung einen echten Volkskarneval feierte“. So geschah es, dass Bürgermeister Heinrichs die Funken nach den Feierlichkeiten zu ihrem (vermeintlichen) siebzigjährigen Bestehen im Jahre 1949 auf ihrer Sitzung im „Driescher Hof“ am 05.02.1950 mit einer Mitteilung überraschte.

Er übergab den Funken einen Zeitungsausschnitt, aus dem hervorgeht, dass die Karnevalsabteilung des Siegburger Gesellenvereins bereits im Januar 1860 karnevalistisch aktiv war und Sitzungen veranstaltet hatte.

Im Jahre 1900 schließlich entstand aus den „Löstigen Brödern“ die in den Stadtfarben blau und weiß uniformierte Gruppe der „Siegburger Stadtsoldaten“, aus der später unmittelbar das Corps der Siegburger Funken Blau-Weiss wurde. Schon in diesem Jahr zählte die blau-weiße Funkentruppe mehr als achtzig Mann.

Der nebenstehende Veranstaltungshinweis entstammt dem „Anzeiger des Siegkreises” in der Ausgabe vom Freitag, den 20. Januar 1860. Im Hintergrund erkennen Sie das Titelblatt dieser Ausgabe, auf dessen Rückseite - der Seite 2 also - die Anzeige abgedruckt war.

Diesen überreichte Bürgermeister Hubert Heinrichs am 02. Februar 1950 den überraschten Funken. Er hatte ihn im Siegburger Stadtarchiv aufgetan und zur Freude der Funken eine wesentliche Information zur Entstehungsgeschichte wiederentdeckt.

Bei der Recherche zu diesem Buch konnte das Redaktionsteam im städtischen Archiv leider nur noch feststellen, dass die Ausgabe des besagten „Anzeigers” an dieser Stelle im wahrsten Sinne des Wortes einen Ausschnitt zeigte - das Wesentliche war leider nicht mehr festzustellen. Bürgermeister Heinrichs hatte - wahrscheinlich in Ermangelung eines Geräts zur Herstellung von Kopien, denn Kopierer oder Scanner kannte man seinerzeit noch nicht - den entsprechenden Artikel schlicht ausgeschnitten. Das Stadtarchiv weist somit an dieser Stelle lediglich eine Lücke auf.

In den Archiven der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn fand das Team jedoch schließlich die vollständig erhaltene Ausgabe der Tageszeitung.
Bei der Suche in den Archiven der Bibliothek wurden weitere historische Dokumente entdeckt, die belegen, dass die karnevalistische Abteilung des "hies´gen Gesell´n-Vereins" (siehe Anzeige) bereits im Jahr 1860 mit der Durchführung verschiedenster Veranstaltungen eine wichtige Instanz des Karnevals in Siegburg dargestellt haben. Nachfolgend finden Sie einige Beispiele für die umfangreichen Aktivitäten aus dieser Zeit.

Die Uniform der Funken Blau-Weiss

Seit dem Jahr 1900 bis zum heutigen Tag ist die Uniform der Funken Blau-Weiss im wesentlichen unverändert geblieben. Allerdings verbesserte sie sich natürlich mit dem steigenden allgemeinen Wohlstand. So wurden die ursprünglich üblichen Gamaschen zwischenzeitlich durch Lederstiefel ersetzt.

Die Uniformröcke - ursprünglich aus bäuerlich-grobem Leinen - werden längst aus hochwertigen blauen Uniformstoffen maßgeschneidert. Zudem änderten die Blau-Weissen auch den Schnitt ihrer Uniformröcke: seit 1971 tragen die Funken frederizianische Uniformen.

Nicht nur das Offizierscorps sondern auch die Mannschaft trägt heute Dreimaster aus Filz, die mit Kaninchenfell besetzt sind. Die ehemals wollenen Perücken sind heutzutage aus echtem Büffelhaar. Darüber hinaus ziert den Funken-Dreispitz heute ein aus Gänsefedern gefertigter blau-weisser - bei den Kindern und Jugendlichen vollständig weißer - Federbusch.
Bei den Offizieren sind an der linken Seite des Funkenhutes ein Holzlöffel und eine weiße Tonpfeife angenäht.

Erklären lässt sich dies mit der Entstehungsgeschichte der uniformierten Funken- und Stadtsoldatencorps, die ursprünglich als Persiflage auf das damalige Militär gedacht waren. Man nahm Preußens Gloria auf's Korn und sich selbst nicht ganz ernst. Mit Löffel und Pfeife werden dementsprechend zwei Ausrüstungsgegenstände dargestellt, die seinerzeit für das Soldatenleben schier unentbehrlich waren: der Löffel für die Suppe aus der Feldküche und das Pfeifchen, welches man sich als einziges Vergnügen - und wohl auch, um sich zu wärmen - so manches Mal im Felde angezündet haben mag.

Die Hüte der Tanzoffiziere ziert nur ein Holzlöffel. Auf die Pfeife wurde hier aus rein praktischen Gründen verzichtet. So möchte man schlicht vermeiden, dass sich die Pfeife während der Tänze möglicherweise lösen und durch den Aufprall auf den Boden in Scherben zerspringen könnte.

Auch hinsichtlich der „Bewaffnung“ unterscheiden sich die Offiziere und die Mannschaft heute noch. Während nämlich das Offizierscorps der Funken auf Kommando den „Zabel“ (Säbel) präsentiert, heißt es bei den Herren des Tanzcorps auch heute noch „De Knabbüß (Knallbüchse, Holzgewehr) eraff! Noch net - ävver jetz!“

Die Uniformröcke waren aus blauem Leinen mit weißen Patten und Besatz. Der Stoff wurde von hiesigen Firmen gestiftet und von den Schneidermeistern Rosen, Sterzenbach und Vollbach verarbeitet. Man trug weiße Hosen und weiße Handschuhe sowie als Kopfbedeckung schwarze Dreimaster („Dreispitz“) mit Wollperücken.

Ursprünglich blieb es nur den Offizieren vorbehalten, sich mit Filz-Dreimastern und blanken Säbeln oder Degen zu schmücken. Die Mannschaft musste sich anfangs mit Hüten aus Pappe sowie mit hölzernen Säbeln und Holzgewehren begnügen.

Im damaligen Elferrat der „Löstigen Bröder“ fand man altbekannte Siegburger Namen: Dobler, Faßbender, Lohmar, Schmandt, Becker, Halm und dergleichen. Protokollarius war Heinrich Offermann, der auch das Theaterstück „Heldin von Transvaal“ verfasst hat.

Die Zeit von 1914 bis 1925 mit all ihren Sorgen, Nöten und Gefahren ließ verständlicherweise auch in Siegburg dem Karneval keinen Raum. Die Kriegs- und auch die Nachkriegsjahre mit der Besetzung des Rheinlands, der sich überstürzenden Inflation und mit der - selbst heute noch - unvorstellbaren Erwerbslosigkeit waren nicht dazu angetan, in ausgelassener Freude Karneval zu feiern.